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Nachbericht BDA Montagsgespräch: Innenstädte in Bewegung – wo geht es in Köln hin?

14. Dezember 2023

Elke Beccard
Elke Beccard

v.l. Peter Köddermann, Baukultur NRW, Volker Mayntz, Projektmanagement/Gewerbeimmobilien, Aachener Grundvermögen, Köln; Steffen Eggebrecht, Prokurist & Geschäftsbereichsleiter Kommunikation, Marketing & City-management, Köln Business Wirtschaftsförderung; Prof. Eva-Maria Pape, TH Köln; Thomas Binsfeld, Landmarken AG, Aachen; David Bodarwe, Student im Master Städtebau NRW; Prof. Dr. Alexander Gutzmer, Teamleitung Unter-nehmenskommunikation, Ehret+Klein, Starnberg; Prof. Yasemin Utku, TH Köln; Dr. Marion Klemme, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- u. Raumforschung BBSR, Bonn ; Foto: Elke Beccard, BDA Köln

Sogar an diesem regnerischen Abend in der Vorweihnachtszeit sind rund um das Domforum viele, viele Menschen unterwegs: Über mangelnden Besuch kann sich die Kölner City im Vergleich zu anderen Innenstädten nicht beklagen. Und doch: „Man fragt sich, warum man dort überhaupt hingehen soll“, fasst Yasemin Utku in ihrer Einführung die Lage zusammen. Gemeinsam mit Eva-Maria Pape, beide Professorinnen an der TH Köln, konzipierte sie die Veranstaltung, um sich auf die Suche zu begeben nach einer Vision, was die Innenstadt in Zukunft jenseits von Billig-Ketten und Fast-Food ausmachen kann.

Experimentierraum Innenstadt

„Wie kommt Neues in die Innenstädte? Wie überzeugt man die Menschen davon? Wie nimmt man sie mit?“ Diese drei Fragen stellt Marion Klemme, Referatsleiterin Stadtentwicklung beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- u. Raumforschung (BBSR). Es arbeitet dem Bundesbauministerium zu, wo der Beirat Innenstadt, dem auch der BDA angehört, eine Innenstadtstrategie formuliert hat. „Kreative und neue Ideen müssen ausprobiert werden können,“ heißt es in diesem Papier.

Dabei geht es für Klemme besonders um die öffentlichen Räume, die gerade in den Innenstädten unzureichend gestaltet sind, da man sich in den Zeiten, als der Handel noch florierte, einfach nicht um sie gekümmert hat. Wie solche Experimente aussehen können, zeigen die „Bewegungs(t)räume Innenstadt Hannover“. Initiiert vom Fachbereich Sport, Bäder und Eventmanagement der Stadt verwandelten sich Hannovers City-Plätze für zwei Sommer in Basketballfelder, Skateboardingparcours und Kletterfelsen.

Neue Anlässe

Zentral waren dabei die Vernetzung mit Vereinen, der Trendsportszene, Jugendsportgruppen u.a., so dass über Social media eine große Verbreitung erzielt wurde, und die Einbeziehung der alteingesessenen Innenstadtakteure wie Kioske und Cafés, wo man kostenlos die Ausrüstung ausleihen konnte. Wichtig sei es, so Klemme, Ansätze praktisch auszuprobieren, Fehler zuzulassen und aus ihnen zu lernen. Neue Ideen schaffen neue Anlässe und bringen andere Akteure in die Stadt, wie zum Beispiel in Siegburg, wo auf dem zentralen Michaelsberg direkt neben der Einkaufsstraße viele Bewegungs- und Spielangebote entstanden sind.

Elke Beccard
Elke Beccard

Mischung statt Monolith

Mit einer Innenstadt-typischen Bauaufgabe, der Transformation von Warenhäusern, kennt sich Thomas Binsfeld von der Landmarken AG gut aus. In Wuppertal, Herne und nun in Aachen hat sein Unternehmen in den letzten 12 Jahren Erfahrungen gesammelt und unter anderem gelernt, sich eingehend damit zu beschäftigen, was der Ort braucht und „sich vom Handel freizumachen.“ Diese Häuser, so Binsfeld, brauchen sehr viel Planungsvorlauf, eine intensive Auseinandersetzung mit dem Bestandsschutz – und mit den Architekten, „denn ein Kaufhaus ist relativ schwierig nach Leistungsphasen abzubilden,“ sagt Binsfeld.

Zwar verteuere es die Immobilie, verschiedene Assetklassen zusammenzubringen, erläutert Binsfeld, aber die Mischung bringe einen großen Mehrwert und sei auch wirtschaftlich stabiler. In den neuen Höfen in Herne kann man nun im UG Fitness betreiben, im EG essen gehen, in den Etagen darüber sind Büros vermietet, und ganz oben schließlich wird gewohnt. Binsfeld lobt die Zusammenarbeit mit der Stadt Herne und plädiert generell für ein stärkeres Zusammenspiel von Investor und Kommune: „Ich schaue mir sehr genau an, wie man gemeinsame Trägerschaftsmodelle hinbekommen und sich in seinen Stärken ergänzen kann.“

Amt für Stadtentwicklung und Statistik Stadt Köln
Amt für Stadtentwicklung und Statistik Stadt Köln

Leitbild Kölner Innenstadt

Für einen dritten Impulsvortrag war Brigitte Scholz als Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik in Köln eingeladen. Weil sie krankheitshalber verhindert ist, informiert Steffen Eggebrecht von KölnBusiness Wirtschaftsförderung über das Leitbild „2 Straßen – 6 Quartiere – eine Vision“, das seit August dieses Jahres vorliegt und auf einen Ratsbeschluss von 2020 hin mit Innenstadt-Akteuren zusammen erarbeitet wurde. Das „Leitbild für die Handelslagen Hohe Straße und Schildergasse“ beschreibt, wie sich sechs Quartiere entlang dieser Straßen entwickeln sollen und gibt dazu Handlungsempfehlungen.

Auf Grundlage eines Bundesförderprogramms startete im August das Zentrenmanagement der Kölner City – zwei Leute in dem Team kümmern sich nun um die Verbreitung des Leitbildes. Aus diesem Programm wird es nächstes Jahr einen Verfügungsfonds geben, mit dem Projekte wie Fassadenbegrünung, Beleuchtungskonzepte etc. angestoßen werden können. In Eggebrechts Sicht wird das Thema Kölner City zu sehr mit einem Blick von innen heraus diskutiert; er unterstreicht, dass Köln in Bezug auf den Einzelhandel im Vergleich zu anderen Kommunen mit 6,2 % Leerstand und 1,5 Millionen Besuchern im November auf der Schildergasse sehr gut dasteht.

Eine Vision von Stadt

Bei der anschließenden Diskussion wird häufig betont, dass der Handel nur eine Facette von Innenstadt ist. Peter Köddermann vom Verein Baukultur NRW möchte eine breitere Basis anrufen als die Interessensvertretungen für das Leitbild der Wirtschaftsförderung: „Es hapert bei uns immer noch an der grundsätzlichen Haltung, sich darauf einlassen zu wollen, eine Vision für eine Stadt zu entwickeln.“ Er wünscht sich mehr Empfindung dafür, dass eine Stadt ein sozial gedachter Organismus ist und dass kulturelle Leistungen und das Prosperieren der Stadt aneinander bedingen: „Der Dom hat sich wirtschaftlich nie rentiert und ist trotzdem ein sehr sinnvolles Gebäude.“ In die gleiche Kerbe schlägt der Bezirksbürgermeister der Innenstadt Andreas Hupke aus dem Publikum, der an Gewerbe und Immobilienwirtschaft appelliert, sich für kulturelle Projekte und insbesondere die Historische Mitte einzusetzen.

David Bodarwe war beteiligt an einem Studierenden-Projekt der TH Köln im Wempe Quartier an der Hohe Strasse im letzten Jahr. Zum Thema Freiraum hat er plakative Zahlen parat: Auf 100.000 Passanten an einem Samstag auf der Schildergasse kommen neun Bänken. Als Sofortmaßnahme schlagen die Studierenden vor, die dritte Ebene der Dächer an den Einkaufsstraßen zugänglich zu machen und zu nutzen.

Subkultur und zivilgesellschaftliche Projekte in leerstehende Räume zu holen, wie Bodarwe vorschlägt, das findet auch Volker Mayntz gut. Sein Unternehmen – die Aachener Grundvermögen, die etwa 30 Gewerbeimmobilien in der Stadt besitzt – tue dies auch mit großer Überzeugung, in Mannheim etwa, Köln sei leider das falsche Beispiel. Ein Experiment wagt das Unternehmen allerdings doch und will in der Schildergasse eine Boulderhalle eröffnen. Die Zukunft für Köln sieht Mayntz in einer durchmischten Innenstadt für alle Nutzergruppen.

Aus Starnberg angereist ist Alexander Gutzmer vom Projektentwickler Ehret + Klein, der Grundstücke an der Hohe Strasse erworben hat. „Wir haben große Lust auf Innenstadt und darauf, die Chancen dieser schwierigen Situation herauszufiltern. Aus dem Neudenken dessen, was die europäische Stadt ausmacht, kann man auch als Unternehmen viel lernen.“

Ausgestaltung der Freiräume, Nutzungsmischung und „dritte Orte“ mit nicht-kommerziellen Angeboten: Über die Leitplanken für eine Umgestaltung der City kann man sich offenbar auf einer breiten Basis verständigen. David Bodarwe bringt es gut auf den Punkt, warum wir jetzt loslegen sollten: „Ich möchte die Innenstadt mitgestalten, damit ich mit ihr auch etwas verbinden kann, was bisher nicht der Fall ist.“

Autorin: Ira Scheibe

Und hier kann die gesamte Veranstaltung nachgehört werden: