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AURORA MIT DEM SONNENSTERN – Radtour im Deutzer Hafen

16. Oktober 2023

ARCHITEKTURWOCHEN NRW 2023

Fast zu schön, um wahr zu sein: Knapp 38 Hektar Planungsfläche in bester Innenstadtlage, am Rheinufer und mit Blick auf den Dom! Die Stadt Köln hat die Latte hoch gelegt für die Transformation des Deutzer Hafens und verdiente sich schon mit der Planung das DGNB-Vorzertifikat in Platin. Der BDA NRW lud nun im Rahmen der Architekturwochen NRW 2023 zu einer Radtour durch die Brachlandschaft und zu einem Blick in die Zukunft ein.

Mit Fluß, Wiese und Domblick
Es ist sehr heiß an diesem Spätsommer-Nachmittag, die Sonne brennt auf die leere und fast komplett versiegelte Fläche im Hafen. Außer den Mühlengebäuden gibt es kaum bemerkenswerten Baubestand. Ein bisschen Schatten spendet uns beim ersten Stopp einer der historischen Hafenkräne auf den Schienen entlang der Kaimauer. Als um 2007 die Diskussion über die Transformation begann, nutzten nur drei der hier ansässigen Unternehmen den Hafen als solchen; mittlerweile sind sie weggezogen. Knapp die Hälfte der Fläche diente als Lagerstätte oder als Parkplatz. Kurz gesagt, es war nicht viel los im Deutzer Hafen.
Er entstand um 1910 an einem teilweise schon versandeten Rheinarm, der nun das gut einen Kilometer lange Becken bildet. Zum Rhein hin vorgelagert sind ihm die Poller Wiesen als Hochwasserschutzgebiet und eine Lindenallee auf dem Damm. Gegenüber breitet sich das Panorama der südlichen Innenstadt aus und kulminiert im Blick auf den Kölner Dom in nur 2 Kilometer Luftlinie Entfernung. Von begehrter Wohngegend zu reden, ist also eher untertrieben.

Brachlandschaft mit Blick auf den Dom | © Nicole Richter

Entwicklung zum Wohnhafen
Astoc erarbeiteten im Jahr 2013/14 eine Machbarkeitsstudie, die unter anderem die Hochwasserschutzproblematik genau untersuchte. Sie kam zu dem Schluss, dass sich durch Entsiegelung des Bodens, die Anlage von Grünflächen, den Bau von Tiefgaragen und weiteren Maßnahmen die Retentionsfähigkeit des Geländes verbessern ließe.
Der Startschuss zum städtebaulichen Werkstattverfahren fiel 2016; die Entscheidung, den Integrierten Plan für den Hafen auf Grundlage des vom Büro Cobe (Kopenhagen, DK) formulierten Ansatzes zu entwickeln, fiel einstimmig. Mischung und Vielfalt sind hierin wichtige Schlüsselbegriffe; sie beziehen sich auf gestalterische und soziale Aspekte und auf die Nutzung. Der „Deutzer Block“ – ein offener Block mit unterschiedlichen Bautypen und mindestens einer gestalterischen Zäsur pro Seite – wird dabei die „DNA“ des Geländes bilden, wie es die Planer formulieren. Das Instrument zur Umsetzung dieser Ziele ist die Konzeptvergabe, nach der die Zuteilung eines Großteils der Baufelder erfolgen soll.
Der kritische Faktor zum Gelingen des Projektes ist aus Sicht von Cobe die Freiraumgestaltung. Von den knapp 38 ha Gesamtgebiet entfallen etwa 8 ha auf die Wasserfläche; 19,5 ha sind öffentliche Flächen und 14,4 ha Nettobauland. Die Gestaltung der drei Parks, Straßen, von Plätzen und Promenaden hat nicht nur ansprechend zu sein, sondern muss auch die Hochwasserproblematik lösen: Die 2,70 m Höhenunterschied zwischen dem Niveau der Kaimauern und der Marke für das 200jährige Hochwasser, auf der die Hauseingänge und wichtigsten Versorgungwege liegen, sollen durch terrassenförmige Anlagen mit Rampen und Treppen überbrückt werden.

Öffnung zwischen der den zwei Mühlen | © Nicole Richter

Abbruch für den Aufbruch
Der Weg zum Treffpunkt für die Tour führt an einem über 400 m langen Abbruchgelände vorbei. Auf halber Strecke öffnet sich ein Durchgang zum Hafenbecken. Die ersten Mieter im Hafen waren zwei Getreidemühlen, die im Laufe der Jahrzehnte zu einem Baukomplex zusammenwuchsen. Aus der Erbauungszeit vom Anfang des 20. Jahrhunderts sind nur geringe Reste vorhanden; die Industriebauten wurden sukzessive verändert und nach der Zerstörung im 2. Weltkrieg in den 50er und 60er Jahren wieder aufgebaut.
In Abstimmung mit der Denkmalpflege wurden wieder zwei getrennte Kubaturen geschaffen und weitere Teile des Komplexes zurückgebaut – zum einen, weil die Substanz marode war; zum anderen, um für andere Gebäudeteile Belichtung zu schaffen. Die stadtbildprägende Silhouette der Gebäude, auf denen noch das Logo „Aurora mit dem Sonnenstern“ prangt, wird jedoch als Landmarke bewahrt. Nicht nur mit der Bestandserhaltung punktet die Entwicklerin, die Stadtentwicklungsgesellschaft moderne stadt, zum Thema Nachhaltigkeit, vielmehr ist es Leitmotiv für die weitere Entwicklung des Hafens. Das „Handbuch Nachhaltigkeit“ liegt jetzt in Version 1.0 vor und wird sich kontinuierlich den aktuellen technischen Möglichkeiten anpassen.
Die schöne Holzhalle im Norden der Halbinsel bietet zum Schluss der Tour noch einmal einen Schattenplatz. Wie sieht der Zeithorizont aus für die weitere Entwicklung? Der Teilplan Infrastruktur ist fertig, die Bodensondierungen sind erfolgt, der Wettbewerb für die beiden Brücken über das Becken ist abgeschlossen, Baufeld 7 startet Anfang Oktober in die Vergabe. Es geht also los; was die Fertigstellung angeht, nennt die Stadt das Datum 2030+.

stadtbildprägende Silhouette mit dem Sonnenstern | © Nicole Richter

Worauf ist ein besonderes Augenmerk zu richten? Bei der Diskussion in der Gruppe wurde unterstrichen, wie wichtig es ist, die Nutzungsmischung tatsächlich auch in den einzelnen Blöcken zu realisieren. Begrüßt wurde, dass belebte Erdgeschosse geplant sind und dringlich herbeigewünscht ein gastronomisches Angebot nicht nur auf der „urbanen“ Seite, sondern auch zum Rhein hin. Ein Teilnehmer ist extra aus Dortmund angereist, wo Cobe das Hafenquartier Speicherstraße planen. Es sind spannende Vorhaben, die Planungen sind auf einem guten Gleis – nun wird es sich zeigen, wie weit es gelingt, auf Kölns „anderer“ Seite, im Rechtsrheinischen, zukunftsfähigem Wohnen und Arbeiten den richtigen Raum zu schaffen.