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NACHBERICHT: Der nachhaltige Mobilitätsplan für Köln – Masterplan für die Verkehrswende?

17. Juli 2023

Elke Beccard
Elke Beccard

v.l.: Martin Randelhoff, Projektleiter ARGUS studio, Hamburg u. Herausgeber „Zukunft Mobilität“; Christian Dörkes, stellv. Leiter „Amt für nachhaltige Mobilitätsentwicklung“ Stadt Köln; Philipp Skoda, URBANOPHIL.KOELN; Lino Hammer, Vorsitzender „Verkehrsausschuss“ Stadt Köln; Anne Grose, FUSS e.V. Köln; Foto: Elke Beccard

„Radstreifen sprießen aus dem Boden, Verkehrsversuche werden gestartet“, sagt Philipp Skoda vom BDA. In Köln werde sichtbar, dass sich bei der Verkehrswende etwas tut – doch fehlt dafür nicht ein Gesamtkonzept? Diese Klage ist in Köln häufig zu vernehmen.

Christian Dörkes vom Amt für nachhaltige Mobilitätsentwicklung arbeitet seit Jahren an einem solchen Konzept, dem so genannten „Sustainable Urban Mobility Plan“ (SUMP) nach EU-Standard. Bevor Dörkes den „Besser durch Köln“ getauften Plan vorstellt, skizziert er kurz die Entwicklung des Verkehrs in der Stadt, die zwei scheinbar gegensätzliche Tendenzen aufweist: Einer immer weiter wachsenden Zahl zugelassener PKW in der Stadt steht ein sinkender Anteil des Autoverkehrs an allen Verkehrsarten entgegen: Während 1983 noch 43 Prozent aller Wege in der Stadt mit dem Auto zurückgelegt wurden, waren es 2022 nur noch ein Viertel aller Wege. Der Radverkehr im sogenannten Modal Split, der prozentuale Anteile der Verkehrsarten am gesamten Verkehr misst, lag mit 25 Prozent gleichauf mit dem Autoverkehr. „Da haben wir unser 2014 formuliertes Ziel von 33 Prozent MIV-Anteil bis 2025 jetzt schon übererfüllt“, sagt Dörkes, und führt die Entwicklung vor allem auf wegfallende Arbeitswege durch mehr Homeoffice und bessere Radwege zurück.

Abb. Stadt Köln, Christian Dörkes, Amt für nachhaltige Mobilitätsentwicklung
Abb. Stadt Köln, Christian Dörkes, Amt für nachhaltige Mobilitätsentwicklung

2020 fiel der Ratsbeschluss, einen SUMP für Köln zu erstellen, der bis ins Jahr 2035 läuft – dem Jahr, in dem Köln klimaneutral werden will. Wesentlich sei dabei eine breite Bürgerbeteiligung, so Dörkes. Eine Online-Umfrage wurde bereits rege genutzt, auch Kinder und Jugendliche wurden einbezogen, im Herbst soll eine „aufsuchende Beteiligung“ in den Bezirken folgen. Im August soll der Verkehrsausschuss ein Leitbild beschließen, das sich an bereits gefassten Beschlüssen wie der Klimaneutralität orientiert und etwa Aussagen wie „Ich erledige vieles direkt im Veedel“ oder „Ich bewege mich aktiv und tue etwas für Umwelt und Klima“ umfasst. Diese sollen für die einzelnen Verkehrsarten konkretisiert und messbar gemacht werden. 2025 soll der Rat den Kölner SUMP beschließen.

SUMP „Sustainable Urban Mobility Plan" Abb. Rupprecht Consult 2019
SUMP „Sustainable Urban Mobility Plan" Abb. Rupprecht Consult 2019

Im Publikum werden Zweifel an der Bürgerbeteiligung laut („Ich habe am Runden Tisch teilgenommen, aber nie Rückmeldung dazu bekommen“) – und daran, dass Dörkes’ frisch ausgewertete Modal-Split-Statistik die Ein- und Auspendler außen vor lasse. Im Umland liegt der MIV-Anteil demnach bei rund 60 Prozent, mit eher steigender Tendenz. „Wir müssen dringend den ÖPNV ins Umland attraktiver machen“, so die Forderung aus dem Publikum.

Welche kommunalen Strategien haben sich bisher als erfolgreich erwiesen? Darüber spricht Martin Randelhoff, Projektleiter im Stadt- und Verkehrsplanungsbüro Argus, sowie Herausgeber des Blogs „Zukunft Mobilität“. Zuweilen sei es hinderlich, auf den großen Wurf zu warten, so Randelhoff. So bleibe die Absicht, hierzulande sogenannte Superblocks nach spanischem Vorbild einzurichten, in vielen Kommunen in jahrelangen Planungsprozessen stecken. „Warum nicht kleinteilig schon eine Sperrung umsetzen?“ Entscheidungen im Mobilitätsbereich seien immer umstritten, „insbesondere die wirkungsvollen“, so Randelhoff. Einen breiten Konsens könne es nicht immer geben, deshalb müsse man sich etwas trauen und den Widerstand aushalten. „Pendler, die aufs Auto angewiesen sind, können kein Argument dafür sein, dass sich in der Stadt nichts bewegt.“ Vorreiterstädte wie Darmstadt oder Freiburg seien eher zu Einschränkungen des Autoverkehrs bereit als Dortmund oder Leverkusen.

Randelhoff plädiert dafür, den Erfolg an ganz einfachen Indikatoren zu messen. „Den KfZ-Bestand bis 2030 um 10 Prozent zu senken – das ist ein gut nachvollziehbares und leicht messbares Ziel.“ Analog könne man Ziele für eine Senkung der schweren und tödlichen Unfälle sowie der KfZ-Belastung im Netz ausgeben. „Zürich hat es geschafft, das Umland vom Auto auf die S-Bahn zu bringen – das kann man messen!“
Das Umland ist auch bei der anschließenden Podiumsdiskussion ein großes Thema. Während Lino Hammer (Grüne) mehr Engagement von der Deutschen Bahn fordert, um das Umland besser anzubinden; findet jemand im Publikum, das sei vor allem Aufgabe der KVB, die das aber viel zu lange vernachlässigt habe. „Die KVB investiert mehr als Jahrzehnte zuvor“, entgegnet Hammer.
„Hier wird nur über das geredet, was rollt“, kritisiert Anne Grose vom Verband Fuß e.V. Fußgänger würden nicht mitbedacht, dabei sei der Fußverkehr die wichtigste Verkehrsart überhaupt in der Stadt. „Im Fokus sollte doch ein angenehmerer Aufenthalt in der Stadt stehen!“

Und hier das komplette Montagsgespräch zum Nachhören: