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Der doppelte Verlust – zum Verschwinden von Bausubstanz und Stadtidentität

26. März 2023

Ralf Dördelmann
Ralf Dördelmann
Häuser-Stillleben: Montagen von leer stehenden imposanten Dortmunder Gebäuden bilden im Gartensaal des Baukunstarchivs eine Art Klagemauer. (Fotos: Ralf Dördelmann)

„Genug gebaut!“ Vor dem Hintergrund des Klimawandels und einer völligen Neubewertung der grauen Energie könnte eines der nächsten Foren StadtBauKultur durchaus diesen Titel tragen. Das wurde auch schon diskutiert. Aber ob sich die Stadt Dortmund als Veranstalter das traut? Legt sie doch immer noch und immer wieder eine ebenso traurige wie lange Abrissliste vor.

Alte Gebäude sollen weichen, weil sie angeblich keine aktuellen Funktionen mehr erfüllen können. „Ist das überhaupt noch zeitgemäß?“ fragt sich nicht nur Dr. Wolfgang Sonne, Leiter der TU Dortmund. Erst die Funktion festlegen, dann den Bau planen. Müsse nicht längst andersherum gedacht werden? Erst den Bau begutachten, dann eine kluge Umbaukultur entwickeln? Großartige Beispiele gibt es zuhauf. Deshalb freut sich der wissenschaftliche Leiter des Baukunstarchivs NRW besonders über die aktuelle Ausstellung im Gartensaal.

„Der doppelte Verlust“ ist eine intensive Auseinandersetzung von Richard und Jonathan Schmalöer mit dem rüden, ja rücksichtslosen Umgang mit historischer Bausubstanz und dem damit einhergehenden Verlust von Stadtidentität.

Eine Klagemauer

Am Beispiel der Stadt Dortmund – es könnten aber genauso gut auch Gebäude in Bochum, Gelsenkirchen, Essen oder Herne Thema sein – untersucht der Dortmunder Architekt und Stadtplaner Richard Schmalöer gemeinsam mit seinem Sohn Jonathan die Stärken des gebauten Bestandes. Beide fragen, wie die Stadt Dortmund in der Quartier- und Stadtentwicklung mit den Qualitäten vorhandener Bausubstanzen umgeht, die einerseits als wertvolle Bausubstanz verschwinden, gleichzeitig den Verlust von Baukultur bedeuten.

Mehr als 100 Besucher bei einer Ausstellungseröffnung: Selten war es so voll im Gartensaal.

Sehr eindrucksvoll zeigen das großformatige Montagen von leer stehenden verlassenen Gebäuden als meterlange Klagemauer. Auf der gegenüberliegenden Seite hängt eine Auswahl von Fotografien der nächsten „Abrisskandidaten“. Die Vincke Grundschule soll weg, der Hof Korte verfällt, das Schalthaus Phoenix-West gammelt, das ehemalige Goethe-Gymnasium steht auf der Abrissliste, die alte Hoesch Verwaltung wurde schon aufgebrochen und geplündert und rottet einer ungewissen Zukunft entgegen. Das sind nur einige Projekte auf der „traurigen Liste“.

„Wir kommen immer zu spät, auf unserer Rundfahrt zu den ausgewählten Objekten sind die Bagger immer schon da, sie stehen auf den Schulhöfen, die wir aufsuchen; wenn sie mit ihrer Arbeit begonnen haben, gibt es kein Zurück mehr…“ Sehr eindringliche und persönliche Texte rufen auf zum Umdenken, Umnutzen, Umbauen. Klug und kenntnisreich.

Wenn der Vater mit dem Sohne oder umgehrt: Richard (r.) und Jonathan Schmalöer.

Da kennt sich einer aus. Und beobachtet und beschreibt genau, was über Jahrzehnte in Dortmund passiert ist. Richard Schmalöer ist nicht nur gebürtiger und auch überzeugter Dortmunder. Er hat fast drei Jahrzehnte lang das Büro Schamp & Schmalöer mitgeleitet und Stadt gestaltet und war 15 Jahre lang ehrenamtlicher Sprecher des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten der Gruppe Dortmund Hamm Unna. Sohn Jonathan, Absolvent der RWTH Aachen, ist Gründungsmitglied des jungen Dortmunder Kollektivs „Baukreisel“. Der „Baukreisel“ macht den Wert verbauter Materialien sichtbar, erforscht neue Möglichkeiten der Wiederverwendung und setzt diese Erkenntnisse in Bauprojekten um. sim

„Der doppelte Verlust“

bis 21. Mai im Baukunstarchiv NRW

Ostwall 7, 44135 Dortmund
Öffnungszeiten:
Di-So 14:00-17:00 Uhr
Mo geschlossen
Eintritt kostenlos

Gastvortrag zum Thema Umbaukultur: Prof. Dipl.-Ing. Tim Rieniets zeigte in seinem Vortrag großartige Beispiele des Bauens im Bestand.