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Meinhard von Gerkan (1935–2022)

5. Dezember 2022

Till Budde
Till Budde
Meinhard von Gerkan (rechts) und die „Tegel-Boys“ bei der Verleihung der Klassik-Nike 2016 in Karlsruhe

Manchmal ist der mediale Umgang mit den Namen von Architekturbüros ungerecht: Während Dreibuchstabenbüros wie SOM, RKW oder HPP umgangssprachlich immer schon als SOM, RKW und HPP bezeichnet wurden, wurde die Abkürzung „gmp“ lange nicht übernommen. Man sagte einfach „Gerkan“. Eine Unschärfe, die dem gleichberechtigten Gründungspartner Volkwin Marg nicht gerecht wurde. Nun hat der knapp zwei Jahre jüngere Marg seinen Partner überlebt: Meinhard von Gerkan ist am 30. November 2022 im Alter von 87 gestorben.

Beide haben von Anfang an eine kluge Vereinbarung getroffen: Jeder bearbeitet seine eigenen Projekte, und der andere redet ihm nicht herein. Das einzige Projekt, für das sie gemeinsam (mit Klaus Nickels) firmieren, ist der legendäre Flughafen Tegel als Gründungsmythos von gmp – auch wenn natürlich längst bekannt ist, dass der Entwurf auf  Gerkans Diplomarbeit in Braunschweig basiert.

Apropos Braunschweig: Gerkan hat 1974 den Lehrstuhl „Entwerfen A“ von Friedlich Wilhelm Kraemer übernommen – dem wichtigsten Protagonisten der „Braunschweiger Schule“. Gerkan sah sich in dieser Tradition: einfach, klar, ohne Firlefanz. Er hat zwar keine kultischen Freitagsvorlesungen abgehalten wie sein Vorgänger, aber er stand für eine klare Lehre. Und er war einer der wenigen Architekten, die druckreif sprechen und schreiben konnten.

Im Büro war er für Verkehrsbauten wie Flughäfen und Bahnhöfe zuständig, während sein Partner Messen und Stadien weltweit plant. Gerkan, den sie im Büro respektvoll „Guru“ nannten, hat sich die letzten zwei Jahrzehnte hauptsächlich für Kultur- und Sonderbauten interessiert – viele davon in Asien.

Streitbar und impulsiv, mit blitzschneller Intelligenz gesegnet, ist das Waisenkind aus Riga zum einzigen deutschen Architekten aufgestiegen, bei dessen Nachruf ein Wort nicht fehlen durfte: Stararchitekt. 500 Projekte weltweit, davon 170 in China, haben gmp in mehr als einem halben Jahrhundert realisiert – viele davon sind aus Wettbewerben hervorgegangen. Damit ist gmp wohl das erfolgreichste deutsche Architekturbüro überhaupt.

Der BDA hat Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg 2005 mit dem Großen BDA-Preis geehrt, der im Kölner Gürzenich in einer denkwürdigen Feier verliehen wurde.

Volkwin Marg gab jetzt zum Tode seines Partners tief bewegt bekannt: „Meinhard von Gerkan ist im Kreise seiner Familie liebevoll umsorgt gestorben. Als ihn zuletzt die Kraft verließ, wurde sein Abschied für ihn zur Erlösung. Er hat ein wahrhaft erfülltes Leben beschlossen.“

Benedikt Hotze

aus: Die Architekt 1/2023