Themen

, , ,

Rückblick: A-Z Architekten über Carl Ferdinand Busse (1802-1868)

6. Dezember 2022

Ungewöhnliche Orte gab es in der Reihe „A-Z Architekten“ schon viele. Die 1853 eröffnete und nahezu original erhaltene Justizvollzugsanstalt an der Gartenstraße in Münster bot erneut einen außergewöhnlichen Rahmen. Nicht nur als Ort einer bewegten Geschichte, sondern auch als Ort für eine noch zu findende Zukunft. Denn sobald ein moderner Ersatzneubau am Stadtrand von Münster fertiggestellt sein wird, werden das Land NRW als Eigentümer sowie die Stadt zusammen mit der Stadtgesellschaft herausgefordert sein, eine urbane Perspektive für die seit 1984 denkmalgeschützte Strafanstalt samt Quartiersumfeld zu entwickeln. Der BDA Münster-Münsterland versuchte mit dem Abend bereits erste Grundlagen zu ermitteln.

Foto: Markus Bomholt
Foto: Markus Bomholt
A-Z Architekten: Dieter Carl Ferdinand Busse, JVA Münster 

Entsprechend hoch war denn auch das Interesse, mehr über die historische Strafanstalt und ihren Architekten Carl Ferdinand Busse (1802-1868) zu erfahren. In seinem Vortrag stellte der Architekt und Journalist Stefan Rethfeld in der Gefängniskapelle dem Publikum Leben und Werk des preußischen Baubeamten vor, der als enger Mitarbeiter von Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) galt. Rund zwanzig Jahre jünger als Schinkel, wurde dieser Busse zum Gönner. Er förderte sein Zeichentalent, beauftragte ihn nach seiner Baumeisterprüfung 1827 mit ersten Gutachten und baute mit ihm die Bauakademie als Ausbildungsstätte aus. Nach Schinkel stand Busse der Bauakademie von 1849 bis 1866 als Direktor vor. Zuvor betreute er ab 1837 sämtliche Landbauten in der Rheinprovinz, der Provinz Westfalen und der Provinz Schlesien. Auch neue Baugattungen, darunter Post- und Gefängnisbauten, entstanden. Inspiriert durch eine Englandreise 1841 wurde die sternförmige Anstalt in Pentonville im Norden Londons zum Vorbild. Diese wiederum orientierte sich an dem bereits 1829 umgesetzten Gefängnisstern in Philadelphia (USA). Nachdem Busse eine erste modifizierte Gefängnisanlage in Berlin-Moabit umsetzte, sollte die Strafanstalt in Münster zur noch größeren Herausforderung werden – als Stadt vor der Stadt. Noch heute lässt sich die damals gefundene burgartige Lösung mit einem Zentralgebäude und fünf sternförmig abstrahlenden Zellentrakten lesen und deuten. Nicht mehr Bestrafung stand im Mittelpunkt, sondern Reform und Resozialisierung. Die Einzelzellen galten seinerzeit als Fortschritt, der mögliche Kontakt zu Wärtern ebenso. Durch Werkstätten und Bildungseinrichtungen sollten Gefangene zudem die Chance zur Wiedereingliederung erhalten. Etwas später zeichnete Carl Ferdinand Busse auch für Kurhäuser verantwortlich, so schuf er 1857 das Badehaus I in Bad Oeynhausen. Im Übergang zwischen Klassizismus und Historismus entwickelte Busse seine Bauten noch als solitäre Zeugen einer Vor-Gründerzeit.

Foto: Markus Bomholt
Foto: Markus Bomholt
v. l. n. r.: Lucas Fiegen , Dr. Bruno Kretzschmar, Martin Behet, Heiner Farwick, Oliver Silge, David Kasparek

In einer anschließenden von David Kasparek moderierten Gesprächsrunde wurden Potentiale einer Weiterentwicklung des Ortes erörtert, sollte das Land NRW den Standort nach Beendigung der Bestimmung als JVA, so wie erwartet, nicht weiter nutzen wollen. Für den Bestand, einstmals vor den Toren der Stadt errichtet und sich nunmehr inmitten eines städtischen Quartiers befindend, stellt sich dann die Frage einer angemessenen Nutzung vor dem Hintergrund städteplanerischer, denkmalpflegerischer und stadtgesellschaftlicher Aspekte. Lukas Fiegen als Vertreter des Stadtplanungsamts Münster versteht die Weiterentwicklung des Bestandes als große Chance für ein urbanes Quartier in Altstadtnähe, und erläuterte die aktive Rolle der Stadt bei dem sich bereits seit einigen Jahren abzeichnenden Thema. Die hohe Bedeutung des Areals aus denkmalpflegerischer Sicht konnte Dr. Bruno Kretzschmar als LWL-Denkmalpfleger in seinem Beitrag eindrücklich vermitteln. Für die Zukunft verwies er auf den Pioniergeist von vor rund 170 Jahren: Von Schinkel und Busse könne man heute noch lernen – jedenfalls wenn man nach einer lebendigen Lösung sucht, bei der sich das Bewusstsein für den historischen Wert der Gebäude mit zukunftsfähigen Perspektiven verbindet und nicht ausschließt. Diesen Gedanken aufgreifend kennzeichnete Heiner Farwick, langjähriger BDA-Präsident, das Prinzip „Weiterbauen“ anhand anschaulicher Beispiele aus der Architekturgeschichte, als Erfolgsmodell jahrhundertelanger Bau-Praxis. Für die Veranstaltung, die auch im Rahmen der BDA NRW Landesreihe 2022 „21,7 Millionen Gebäude – Umdenken – Umnutzen – Umbauen“ stattfand, dürfte dies eine mehr als passende Formel sein. Der BDA Münster-Münsterland plant im Frühjahr 2023 weitere öffentliche Veranstaltungen zum Thema.

Foto: Markus Bomholt
Foto: Markus Bomholt
Vortrag Stefan Rethfeld – A-Z Architekten: Carl Ferdinand Busse

Downloads

Partner