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WOHNSILO TRIFFT GRÜNE WIESE – City Wohnpark Duisburg

8. November 2022

Den Bestand wertzuschätzen, das ist bei einer 70er Jahre-Großwohnsiedlung schon eine besondere Herausforderung. Druschke und Grosser Architektur sehen darin eine wichtige Planungsaufgabe und bauen den „Wohnpark“ so um, dass er durch kluge Eingriffe und mit viel Grün endlich seinem Namen gerecht wird. Die gute bauliche Qualität sorgt für soziale Rendite, denn sie lässt auch die Menschen, die dort wohnen, Wertschätzung erfahren.

Ortstermin in Hochfeld

Wir stehen vor einem längsgestreckten Gebäude, auf dessen Fassade neun verschiedene Grüntöne leuchten, durchmischt mit einer kleinen Prise Gelb. Loggien und Balkone sind in jeweils einem Farbton gestrichen, die Wände mit Platten in drei verschiedenen Größen und Tönen verkleidet. „Wir haben uns das vorgestellt wie die Nahaufnahme einer ‚grünen Wiese‘,“ erläutert Bibiana Grosser. „Die sechs Gebäudeköpfe sind mit Grün markiert, die restlichen Häuser ganz in Grautönen gehalten.“ Sechszehn sind es insgesamt. In den derzeit 418 Wohnungen leben rund 1200 Menschen aus 40 Nationen.

© Druschke und Grosser Architektur
Druschke und Grosser Architektur | © Annika Feuss

Der Vorher-Nachher-Effekt lässt sich gut studieren, denn die Bauabschnitte 3 und 4 stehen noch so da wie zuvor. Und bieten keinen schönen Anblick. Die Anlage entstand zwischen 1969 und 1971. Auch im gnädigen Licht der Herbstsonne ist die Tristesse nicht zu übersehen. Die zeittypischen Fassaden aus verputzten Flächen, hellen Metallplatten und mit stark nachgedunkelten Waschbeton-Balkonen sind schmuddelig und vom Zahn der Zeit angefressen.

Gut eingepasst

Die Eigentümerin Gebag rief Ende 2018 einen Wettbewerb aus, den Druschke und Grosser Architektur zusammen mit wbp Landschaftsarchitekten GmbH gewannen. Die Planer erkennen in dem Wohnpark, den Gerhard F. Krapoth für die Duisburger Wohnungsbaugesellschaft errichtete, eine Menge guter Qualitäten, zum Beispiel hinsichtlich der Kubatur: „Die höchsten Gebäude stehen in der Mitte, und die Geschosshöhen sind insgesamt geschickt so gestaffelt, dass der Übergang zur Nachbarbebauung gut gelingt,“ sagt Dirk Druschke.

Die stadträumliche Vernetzung der Anlage allerdings soll verbessert werden. Es gab zwei Zugänge zur zentral liegenden Grünfläche, tunnelartig und beklemmend niedrig. Sie wurden nun um ein Stockwerk erhöht, und es entsteht ein zusätzliches Tor. Die Anlage wandelt sich zu einem offenen „Wohnpark“ und lädt damit auch Stadtmenschen, die nicht hier wohnen, zum Queren ein. Der neu gestaltete Außenraum mit wellenartigen Rasenflächen und dem „Heimatgarten“ mit Hochbeeten ist Teil des Gesamtkonzeptes. Über Rampenanlagen werden die Zugänge zu den Häusern barrierearm erreichbar sein.

Gut geschnitten

Auch was das Innenleben angeht, loben die Planer die Architektur der 70er Jahre: „Wir waren überrascht von der Qualität der Grundrisse. Auch die Fenstergrößen genügen heutigen Standards,“ so Druschke. Das Angebot reicht von 35 bis 98 qm und von der Ein- bis zur Vier-Zimmer-Wohnung. Zur energetischen Sanierung ersetzt eine Isolierverglasung mit Kunststoffrahmen die alten Holzfenster. Eine Innensanierung soll wohnungsweise erfolgen, wenn Mieter ausziehen.

Das könnte in Zukunft dauern. Die Fluktuation lag bei 8-10%, doch, so sagt Dennis Ifkovitz von der Gebag, „der Wohnpark hat sich zum gefragten Standort entwickelt. Die Leute wollen explizit hier wohnen.“ Die Kaltmiete lag bisher bei 4,70 Euro. Sie wird um einen Euro pro qm steigen, für Bestandsmieter nur auf 5,50 Euro. Bisher gab es so gut wie keinen Wechsel in der Mieterschaft angesichts der Bauarbeiten. „Zu Beginn war der Umgang mit den Mietern die größte Herausforderung. Jetzt ist es ein ganz anderes Miteinander, weil die Leute gesehen haben, wie schön es wird und sich gerne Zeit nehmen, wenn etwas zu besprechen ist,“ so Ifkowitz.

Vorbild Duisburg

„Für uns steht fest, dass Projekte, die den Erhalt wertvoller Bausubstanz und die Ertüchtigung der Außenräume in den Fokus nehmen, die beste Art von Nachhaltigkeit darstellen,“ resümiert Grosser. Annette Hafner, die an der RUB den Lehrstuhl Ressourceneffizientes Bauen leitet, kann das in ihrem Impulsvortrag untermauern: „Zwar gibt es noch keine Ökobilanz für eine Großwohnanlage, aber unsere Berechnungen für andere Gebäudetypen zeigen, dass über einen Zeitraum von 50 Jahren betrachtet die Energiebilanz bei einer Sanierung günstiger ist als beim Neubau.“ Alle Argumente ihres Plädoyers für Sanierung und Weiterbau sind auch im Offenen Brief abrissmoratorium.de dargelegt; aus Berlin, sagt Hafner, sind bisher sehr wenige Reaktionen erfolgt.

Lohnende Planungsaufgabe

Der City Wohnpark erhält Fördergelder von 37 Mio. Euro. „In Großwohnanlagen sind Steuergelder investiert, und unsere Aufgabe ist es, für Rendite zu sorgen, insbesondere für soziale Rendite,“ sagt Oliver Schreiber, Referent für Wohnraumförderung im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, in seinem Vortrag. Wohnraumförderung dürfe keine Missstände verfestigen; nicht alle Siedlungen empfehlen sich für einen Umbau. Als Beispiele nannte er den Kölnberg in Meschenich und das Quartier Königsborn in Unna, das bereits abgerissen ist.

Doch auch eine Reihe gelungener Sanierungsprojekte lässt sich präsentieren, wobei Schreiber das Thema der Erschließung als besonderen Pferdefuß der 60er und 70er Jahre Anlagen identifiziert. „Es ist allerdings eine Besonderheit, dass hier in Duisburg ein Wettbewerb stattgefunden hat. Wir müssen den Umbau von solchen Siedlungen in Zukunft als lohnende Planungsaufgabe begreifen,“ so Schreiber. Der Bestand an Großwohnsiedlungen der 60er und 70er Jahre in NRW liegt bei etwa 200 – Aufgaben gibt es also noch reichlich.

Text Ira Scheibe