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Klein – groß, Stadt – Land, alt – neu, innen – außen: BDA Masters 2020

16. Dezember 2020

Gab es 2020 einen BDA Masters? Das fragt man sich bei den ganzen Veranstaltungsabsagen derzeit. Die Antwort: Ja! Aber anders!

Auch in diesem Jahr hat der BDA NRW die besten Bachelorarbeiten der nächsten Architektengeneration gesichtet, juriert und ausgezeichnet. Doch wie bei vielen anderen Veranstaltungen, wurden auch hier die Jurierung und die Preisverleihung via Zoom durchgeführt. Virtuell war der BDA NRW zu Gast an der Bergischen Universität Wuppertal, Fachbereich Architektur, dabei saßen Studierende, Jury und Organisatoren am heimischen Schreibtisch. Aufwendige und technisch perfekte Präsentationen und ausgereifte Arbeiten der Bachelorabsolvent*innen ließen die Jury den fehlten physischen Kontakt schnell vergessen. Hat doch die diesjährige Runde gezeigt: die aktuelle Studierendengeneration hat keine Berührungsängste mit der digitalen Welt.

 

Der BDA Masters nimmt bei der Förderung des Architekt*innennachwuchses in NRW eine wichtige Rolle ein, bietet er doch den Studierenden die Möglichkeit, ihre Arbeiten außerhalb der eigenen Hochschule von einer aus der Architekturpraxis kommenden, unabhängigen Kommission beurteilen zu lassen. Der diesjährigen Jury unter Vorsitz von Julia Dahlhaus, Berlin, gehörten Gert Lorber, Vorsitzender des BDA NRW, und die BDA Kolleg*innen Sarah Escher, Düsseldorf, Prof. Katja Knaus, Stuttgart, und Alexander Pötzsch aus Dresden an. Sie zeichneten fünf Arbeiten aus insgesamt 29 eingereichten und von den jeweiligen Hochschulen nominierten Arbeiten aus. Das Preisgeld ist mit jeweils 2.000 Euro dotiert, das an die Verfasser ausbezahlt wird, sobald sie ihr Masterstudium aufnehmen. Auch der in der vergangenen Runde neu ins Leben gerufen Preis der Nominierten, über den die Teilnehmer*innen selbst in einer anonymen Wahl entscheiden, wurde über ein Online-Voting ermittelt.

 

Die diesjährigen Preisträgerarbeiten bilden die Vielfalt der Einreichungen ab und überzeugen sowohl mit originellen, ungewöhnlichen Ansätzen, zu Ende gedachten Konzepten sowie einer hohen Qualität der Darstellung. Darüber hinaus spiegeln sich in ihnen alle gesellschaftlich relevanten Themen, wie zum Beispiel das drängende Thema des Wohnungsbedarfs. Gleich zwei ausgezeichnete Arbeiten wagen sich an die städtebauliche Transformation großer städtebaulicher Areale. Und auch die derzeitige Situation der pandemiebedingten Isolation findet ihren Platz.

Entscheidend für die Auszeichnung der Arbeiten waren neben der Angemessenheit der Lösung bezogen auf die Aufgabe, Neues zu denken und zu erproben sowie der Mut, auch unbequeme Themen intensiv zu bearbeiten.

 

Welche Arbeiten konnten die Jury besonders überzeugen?

 

Grundschule Nordmarkt, Dortmund

Modellfoto ©Linus Hermann

Einen der insgesamt fünf Preise erhielt Linus Hermann, Absolvent der TU Dortmund, für seine Bachelorarbeit Grundschule Nordmarkt in Dortmund. Sein Entwurf für einen Schulneubau überzeugt durch seine wohltuende Angemessenheit und Eigenständigkeit. Die Jury empfindet die Arbeit als „funktional durchdacht“ und ist beeindruckt von der Qualität der Durcharbeitung. Das schulische Raumprogramm wird konsequent um öffentliche Nutzungen erweitert. Erschließung, Bezüge in die Außenanlagen und Grundrisse überzeugen ebenso wie die angebotenen Lerncluster und deren Flexibilität und Schaltbarkeit. Städtebauliche Widersprüche werden erkannt, lesbar gemacht und subtil aufgelöst. Relevante bauliche Details sind nachgewiesen und bis in die Tiefe durchdekliniert. „Im Zusammenspiel mit der klaren, sicheren Darstellung und Präsentation zeigt sich die ansteckende Lust des Entwurfsverfassers auf Architektur und deren qualitätvolle Ausarbeitung“.
TU Dortmund, Lehrstuhl Baukonstruktion
Betreuer: Vertr.-Prof. Iris Rabensteiner, Felix Lowin

 

 

Driescher Kulturmitte. Wohnen +

Grafik © Nina Reichert


Nina Reicherts
städtebauliche Arbeit zum Driescher Hof, Aachen, setzt sich vielschichtig mit den aktuellen Themen der Konversion gewachsener, durchaus auch schwieriger Wohnquartiere auseinander. Dabei gelingt dem Entwurf nicht nur, die Driescher Mitte neu zu ordnen und – im Sinne der Nachhaltigkeit – mit Wohnen, Gewerbe und Kultur zu verdichten, sondern auch Bestand und Neubauten mit dem Freiraum zu verweben.

Damit erfüllt die Verfasserin in den Augen der Jury eine wesentliche Aufgabe bei der Entwicklung neuer Stadtquartiere, nicht nur die Gebäude selbst planerisch durchzuarbeiten, sondern den Blick immer auch auf die Bereiche zwischen den Gebäuden zu richten sowie verschiedenartige städtische Orte zu definieren, abwechslungsreiche Außenräume zu schaffen und sowohl öffentliche als auch private Gemeinschaftsbereiche präzise zu verorten.

Fachhochschule Aachen, Fachbereich Architektur
Betreuerin: Prof. Dipl.-Ing. Isabel Maria Finkenberger

 

 

Archifiktion – Die architektonische Interpretation einer künstlichen Innenwelt

Modellfoto ©Marlene Theresa Koßmann


Wieviel Reibungsfläche mit der Gemeinschaft ist Wohl oder Wehe eines jeden Einzelnen? Entlang dieser Fragestellung lanciert der Entwurf von Marlene Theresa Koßmann ein völlig eigenwilliges Wohnkonzept für das Individuum. Inspiriert von der fiktiven Architektur des 1884 verfassten Romans „Gegen den Strich“ entstanden „in präzise gesetzten, poetischen Linien und sagenhaften Zeichnungen völlig unkonventionelle Bildwelten“. Mitten in Paris, auf dem Dach eines Bestandsgebäudes, entsteht mit ungewöhnlichen Skizzen das Haus des Protagonisten, eines exzentrischen Einzelgängers, der sich nach einer umfassenden und unwiederbringlichen Isolation sehnt. Mit differenziert entwickelten und detailliert skizzierten Räumen spürt der Entwurf der Frage nach, wie Orte zukünftig aussehen könnten oder müssten, damit wir sie dauerhaft und von der Außenwelt isoliert ertragen wollen und können. „Die mutige Umsetzung der eigenen Bilder im Kopf zu einer fiktiven Geschichte wird zur ironisch-kritischen Fragestellung, wieviel Einsamkeit jeder Einzelne von uns erträgt“, so das einstimmige Lob der Jury.

RWTH Aachen, Fakultät für Architektur

Betreuer: Univ.-Prof. Anne-Julchen Bernhardt, Wolfgang Zeh

 

 

In vollen Zügen – Bahnquartiere Bonn

Modellfoto ©Alexander Dürr, Leonie Schwettmann und Hannah Sylla

Ein weiterer Preis ging an Alexander Dürr, Leonie Schwettmann und Hannah Sylla, Absolventen der Alanus Hochschule in Alfter.  Ihr städtebaulicher Entwurf schafft auf 800 Metern Länge einen räumlichen Kontext zum Bonner Bestand und schließt auf selbstverständliche Weise die Lücken zwischen dem Bahnareal und dem gewachsenen städtischen Gefüge. Die Jury würdigt diese Arbeit der drei Verfasser, da sie sich von der städtebaulichen Idee bis hin zum gebäudeplanerischen Entwurf schlüssig mit dem Ort auseinandersetzt und für unterschiedliche Situationen präzise Antworten findet. Die Qualität der städtebaulichen Setzung, die Wahl der Grundrisstypologien im städtebaulichen Zusammenhang, die Ausarbeitung der Grundrisse und die Auseinandersetzung mit Fragen der Quartiersentwicklung wurden „in beeindruckender Ernsthaftigkeit und Tiefe“ geführt.

Alanus Hochschule, Fachbereich Architektur
Betreuer: Prof. Swen Geiss, Prof. Marek Nowak

 

 

Eine Szenographie der Atmosphäre – Sequenz

Grafik ©Nora Kersting

Die Bachelorarbeit von Nora Kersting verlässt thematisch den Betrachtungsraum der Stadt. Der Titel der Arbeit verrät bereits einiges, was in dieser kleinen, aber feinen Thesis bearbeitet wurde. Welche Einflussfaktoren bestimmen Atmosphäre, und welche architektonischen Parameter stehen Planern zur Verfügung, sie entstehen zu lassen? Topografischer Hintergrund und Anlass der Studie von Nora Kersting sind vier unterschiedliche Vegetationszonen in Westerschouwen (Niederlande). Während die Unaufgeregtheit der betrachteten Landschaft normalerweise nebenbei wahrgenommen wird, nutzt die Verfasserin sie für ein zurückhaltendes, aber überzeugendes Entwurfskonzept. Das Artifizielle der Landschaft und die Besonderheit des jeweiligen Ortes werden eingefangen und in kleinen, unterschiedlich genutzten Folies sowohl räumlich als auch szenisch präzise reduziert. Eine Abfolge von verschiedenen Blicken auf charakteristische Ausschnitte der Landschaft schaffen die Möglichkeit zu entschleunigen und Details wahrzunehmen. Die Grundidee dieses architektonischen Spazierganges, die Klarheit des architektonischen Konzeptes und die gute Darstellung haben die Jury überzeugt.

Fachhochschule Münster, msa münster school of architecture
Betreuer:
Prof. Dipl.-Ing. Michael Schanné

 

Der Preis der Nominierten, der mit 750 Euro dotiert ist, ging an Leonie Kratzner, RWTH Aachen, für das Projekt B4 – Die neue Mitte am Schlosspark.

Grafik ©Leonie Kratzner

 

Seit 2008 vergibt der BDA Landesverband NRW jährlich den Studienpreis BDA Masters. Gert Lorber, Vorsitzender des BDA NRW, erläuterte zur Preisverleihung die mit dem Studienpreis verfolgte Absicht, gute und ehrgeizige Bachelorabsolventen zu motivieren, sich möglich umfassend auszubilden. Nicht nur die Preisträger, sondern alle Teilnehmer des Verfahrens ermunterte er, einen Masterstudiengang zu beginnen. Denn auch diejenigen, die keinen Preis gewonnen hätten, seien ja „bereits durch die Nominierung der Hochschule ausgezeichnet worden“.

 

Barbara Schlei