Themen

, ,

Dortmunder OB-Kandidaten*innen beim BDA

25. August 2020

Der BDA im Dialog mit der Politik, Gruppenfoto: (v.l.) Utz Kowalewski (Die Linke), Dr. Jendrik Suck (CDU), Michael Kauch (FDP), BDA-Vorstand Marcus Patrias, Daniela Schneckenburger (B 90/Die Grünen), BDA-Vorstand Dirk Becker, Prof. Andreas Denk (Chefredakteur „der architekt“) und Thomas Westphal (SPD). Foto: sim

In Corona-Zeiten mit der Politik ins Gespräch zu kommen, ist nicht einfach. Der BDA hat es trotzdem versucht, um im Dortmunder Wahlkampf, im Kampf um den frei werdenden Oberbürgermeister-Posten seine Themen zu platzieren. Der Vollständigkeit halber: Dortmund könnte natürlich auch eine neue Oberbürgermeisterin bekommen.

Der Abend im Film, thematisch erzählt. Er beginnt mit der Begrüßung und Vorstellungsrunde und natürlich einem Gruppenbild vor dem neuen Baukunstarchiv NRW, das es ohne Kämpfer*innen für gute Bauten in Dortmund nicht mehr gäbe.

 

Schneller ankommen, leichter umsteigen! Besser bauen und bezahlbar wohnen. Anpacken! Denken wir groß! Mehr Klimaschutz in Dortmund! Dortmund. Zukunft. Gestalten. Gemeinwohnungen bauen!

Die ganze Stadt ist plakatiert, die Slogans klingen gut, die Versprechungen sind groß, die Ziele klar.

Der BDA will es doch mal genauer wissen, besetzt fünf Themenfelder und fragt nach. Mit Andreas Denk, Chefredakteur der Zeitschrift „der architekt“, übrigens gebürtiger Dortmunder und aufgewachsen im Dortmund der 1950er-Jahre mit all seinem Charme und seiner Architektur. Davon ist viel verschwunden, Dortmund hat mit signifikanten und imposanten Neubauten gerade in der City geklotzt. Können Gebäude Identität stiften?

StadtIdentität

Dortmund nach dem Krieg und im Wiederaufbau hat mit signifikanten und imposanten Neubauten nicht gekleckert, gerade in der City geklotzt. Können Gebäude einer Stadt Identität stiften?

Daniela Schneckenburger, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, sieht die Brüche in der Stadt nach dem Strukturwandel, sie sieht ebenfalls großen Handlungsbedarf in der Krise der Innenstadt. Die sei nicht erst seit Corona erkennbar. Utz Kowalewski (Die Linke) denkt die Stadt „vom Menschen“ her. Solange es ein derart großes Nord- Süd-Gefälle in Dortmund gäbe, eine so hohe Arbeitslosigkeit und so viel Armut, sei kein neues Dortmund erlebbar. Stadt-Identität schaffen heißt für ihn vor allem, soziale Probleme zu lösen.

Thomas Westphal, OB-Kandidat der SPD, argumentiert in die gleiche Richtung. Wenn nach einer Sanierung am Borsigplatz die Mieten von 4.35 Euro auf 6.35 Euro steigen, „wo will man dann noch wohnen?“ Für ihn sei Dortmund aber immer noch die Stadt der 1000 Dörfer, mit vielen eigenen Identitäten in Scharnhorst, Kruckel oder Körne. Dr. Jendrik Suck, in Vertretung von CDU-Spitzenmann Dr. Andreas Hollstein in der Diskussionsrunde, findet: „Dortmund ist eine der attraktivsten Städte im Land.“ Sie habe Großstadtflair, aber auch dörfliche Strukturen, Heimat eben. Für den FDP-Mann Michael Kauch brauche Dortmund künftig weniger Gelsenkirchen, auch weniger Altena, aber mehr Silikon Valley und sollte sich vor allem touristisch besser vermarkten.

Podiumsdiskussion in Corona-Zeiten: mit viel Abstand und nur wenigen Besuchern. Foto: sim

StadtGesellschaft

Was macht Stadtgesellschaft aus, was formt sie, was hält sie zusammen? Wie fasst und fördert man gute Quartiersstrukturen?

 

Was zeichnet den Dortmunder aus, auf welche Mentalität treffen wir, will Andreas Denk wissen. Hier herrscht überraschende Einigkeit. Kowalewski kommt mit dem offenen Ruhrgebietsbürger gut klar, Westphal schätzt die Klarheit der Menschen und dass Dortmunder anpacken. Frau Schneckenburger sieht die „Offenheit für den Wandel“, Jendrick Suck mag die Bodenständigkeit der Westfalen. Michael Kauch würde sich wünschen, dass Dortmund endlich mal den Bergmann hinter sich ließe, „wir brauchen neue Identitäten“.

Wie findet sich eine funktionierende StadtGesellschaft zusammen, was macht sie stark? Welche Steuerungsmodelle können Sie sich vorstellen? Während FDP-Mann Kauch der Meinung ist, dass Stadt nicht immer Stadt durchplanen müsse und Bürokraten in der Verwaltung nicht immer alles besser wüssten, findet der linke Kowaleswki sehr wohl, dass ein Vorhalten von preiswertem Wohnraum gesteuert werden muss. Er plädiert für eine städtische Wohnbau-Entwicklungsgesellschaft nach Wiener Modell, die Sozialwohnungen baut. Auch eine Milieuschutz-Satzung könne gute Durchmischungen der Quartiere sichern und die berühmt-berüchtigte Gentrifizierung verhindern. Den Vorschlag findet Daniela Schneckenburger auch gut, gemischte Stadtquartiere und ein Mehr an gefördertem Wohnungsbau sind grüne Ziele. Selbstverständlich müsse die Stadt bei Stadtplanung, Stadtquartieren eingreifen, so die CDU-Meinung. Man denke nur an die Schrott-Immobilien, das Horror-Hochhaus, erinnert Jendrik Suck. Das dürfe man sich als Stadt nicht bieten lassen. Thomas Westphal will das Thema Wohnen sogar zur Chefsache im Rathaus machen. Eine Stabsstelle würde er einrichten – zur Förderung und Stärkung von Nachbarschaft und Aktivitäten in den Quartieren. Zweitens mit Akteuren wie Wohnbaugesellschaften, Investoren, aber auch BDA und anderen einen Entwicklungsplan Wohnen erarbeiten und abarbeiten.

Die grüne Kandidatin sieht dringenden Handlungsbedarf beim fortschreitenden Verdrängungsprozess. Neue Wohnkonzepte müssten her, Baugemeinschaften gefördert werden, eine Gemeinschaftsökonomie wie Sharing-Modell, Mobilität und Funktionen des öffentlichen und privaten Lebens endlich in Nachbarschaften gelebt werden.

StadtÖkonomie

Unsere Städte verändern sich. Das haben sie schon immer getan, aber derzeit hat diese Veränderung rasant an Fahrt aufgenommen. Dies bedeutet Chancen, aber leider auch starke Bedrohungen für unsere Städte. Der Internethandel hat den Innenstädten schon vor der Corona-Pandemie das Wasser abgegraben. Die aktuelle Situation beschleunigt diesen Prozess.

Vor riesigen Herausforderungen stehen die Innenstädte mit einem immer stärker schwächelnden Einzelhandel. Kaufhäuser schließen, kleine Läden geben auf, gähnende Leere in der einstigen Prachtmeile der Konsumtempel? In der Tat muss sich der Mietmarkt radikal verändern, fordert Thomas Westphal. Immobilien-Besitzer hätten Jahrzehnte lang auf hohem Ross gesessen, jetzt stehe ihr Besitz leer. Das sollte zu denken geben. Vielleicht sind auch eher kleinteilige Viertel mit hoher Aufenthaltsqualität die künftigen Sieger, spekuliert er. Einen Mieten-Dialog fordert Daniela Schneckenburger, die Krise des Einzelhandels sei unübersehbar, Corona hab da noch wie ein „Brandbeschleuninger“ gewirkt.

Utz Kowaleski ist da weniger optimistisch,. Das veränderte Kaufverhalten blute die Innenstädte aus, wenn keine alternativen Nutzungen entstehen (Nachtleben, Junge Szene, Kneipen). Michael Kauch sieht jetzt schon die blanke Ödnis. Er empfiehlt: Ostenhellweg 23.30 Uhr, „das ist nicht vergnügungssteuerpflichtig.“

Foto: sim

StadtVerkehr

Alle reden über die Verkehrswende, aber wie kann sie gelingen? Wie werden Verkehrsflächen künftig neu und gerecht geteilt?

Beim Verkehr geht’s natürlich immer ans Eingemachte. Autofahrer gegen Radfahrer, Fußgänger gegen Radfahrer, Radfahrer gegen Straßenplaner und die vielen stillen Nutzer*innen des Öffentlichen Personennahverkehrs, die eigentlich ganz gut von A nach B kommen, aber immer schon schlechte Taktungen und Verspätungen ertragen. Der Kampf um den Rad-Wall sei da nur ein „Symbolkampf“ findet Daniela Schneckenburger. Es gehe vielmehr ums Umdenken, ums Umplanen, um eine „innere Entschleunigung“. „Dortmunds Verkehrsproblem ist nicht mit Radfahren gelöst“, das ist für Westphal klar. Er setzt auf den Ausbau der Stadtbahn, und auch die H-Bahn müsse optimiert werden. Michael Kauch wünscht sich eine Flächengerechtigkeit für alle Verkehrsteilnehmer. Eine autofreie Innenstadt sei zwar ein hehres Ziel, so Utz Kowalewski, aber nur als letzte Maßnahme nach vielen vielen Hausaufgaben zu sehen, die noch zu erledigen sind.

Radweg am Ostwall: Ist-Zustand.

StadtKlima

Noch ein paar von diesen derart heißen Sommern, und auch der letzte Klimawandel-Kritiker wird sich nach einem Baum in der Stadt sehnen, nach öffentlichem Raum, der Luft verschafft.

Noch ein paar Sommer wie diese, und die Menschen verabschieden sich vielleicht wieder von ihren Schottergärten, die in den sozialen Netzwerken und auf dem Buchmarkt längst als „Gärten des Grauens“ für Entsetzen wie Belustigung sorgen. In den Städten ist fehlendes Grün allerdings schon lange ein Thema für Klimaschützer. Mehr Bäume und einen strategischen Grünflächenschutz fordert Die Linke. Die Kandidatin von Bündnis 90/Die Grünen spielt den Ball auch zum BDA zurück. Architektur müsse sich mit Ökologie versöhnen, fordert sie, und das Thema Wasser in der Stadt müsse man/frau noch einmal neu denken. Michael Kauch fordert zudem zukunftsfähige Energiekonzepte, Klimaschutz bitte auch bei der Gebäudesanierung. Und die CDU wirbt für ein grünes, gesundes Dortmund, will in der nächsten Legislaturperiode jedes Jahr 5000 neue Bäume pflanzen.

Den CO2-Ausstoß der Autos reduzieren, Ausbau des ÖNPV, Starkregen-Ereignisse mit Rückhaltebecken abfedern und klimafreundliche Neubau-Planungen wie in der Speicherstraße im Hafenquartier sind Thomas Westphals Ansätze für „Resilienz“.

Und da ist es endlich, das absolute In-Wort.

Resilienz, resilient sein, dynamisch stabil, widerstandsfähig, weniger krisenanfällig.

Endlich konnte ich das Wort auch mal schreiben. Simone Melenk

Und hier einmal das Handout des BDA für den Abend als pdf

200824_BDA_OB-Kandidaten_DO