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Nachbericht: BDA Gespräch „Zeit für Zukunft!“

30. September 2019

Es ging um das große Zukunftsthema der intelligenten und nachhaltigen Stadt. Welche Konzepte können als Vorbilder dienen? Wo gibt es bereits sichtbare Erfolge? Der hohe Besucherzuspruch spiegelte die Relevanz der Themenstellung. Gert Lorber, Landesvorsitzende des BDA freute sich, am 25. September fast 250 Gäste beim diesjährigen BDA Gespräch im Düsseldorfer „Tafelsilber“ begrüßen zu können.

Es gilt mit einem Missverständnis aufzuräumen: „Smart City“, ein Begriff, mit dem man bislang vor allem urbane High-Tech-Utopien verband, meint – jedenfalls in Wien – gerade nicht die „Stadt technischer Gadgets“.

©Christoph Bünten

Thomas Madreiter stellt beim BDA Gespräch die Kernidee der Smart City Wien vor

Wien, die an den Klimawandel angepasste Stadt

Der Planungsdirektor der österreichischen Hauptstadt Thomas Madreiter stellte zum Auftakt der BDA Landesreihe „Stadt in Bewegung“ die in Wien 2014 eingeführte Rahmenstrategie für die Stadtentwicklung „Smart City Wien“ vor, deren Besonderheit ihre Breite, soziale Ausgewogenheit und bei aller Innovation humane Ausrichtung sind. Die Strategie könnte international Maßstäbe setzen. Bis 2050 sollen zeitlich gestaffelt klar definierte Ziele durch eine Vielzahl an Maßnahmen nicht nur auf ökologischen Feldern erreicht werden: Städtische Anpassungsstrategien an den Klimawandel durch Straßenbegrünungen stehen hier gleichberechtigt neben Fragen der sozialen Teilhabe, Ressourcenschonung zum Beispiel durch kompakte Siedlungsstrukturen beim Neubau neben Ideen für quartiersbezogene gemischte Nutzungen, innovative Mobilitätskonzepte neben neuen Steuerungsmodellen der öffentlichen Verwaltung. Bei diesem tiefgreifenden Transformationsprozess sucht die Stadt durch die Einrichtung von Kontaktstellen in den fokussierten Zielgebieten für die Belange der Bürgerinnen und Bürger ansprechbar zu bleiben.

Grafik: Evelin Liska, Quelle: Urban Innovation Vienna

Energieaufwand für die Herstellung eines Quadratmeters Bruttogeschossfläche und der dazugehörigen Infrastruktur

Gebiete für geförderten Wohnbau

Die Stadt Wien nimmt bei Städterankings regelmäßig Spitzenpositionen ein. Jedoch auch sie steht heute vor ähnlichen Problemen wie zahlreiche andere Großstädte. Einen erhöhten Bedarf an günstigem Wohnungsraum gibt es auch hier, zumal die Einwohnerzahl in den letzten vier Jahrzehnten um nicht weniger als 400.000 auf fast zwei Millionen gestiegen ist. Hierbei, so Madreiter, habe es sich als Vorteil erwiesen, dass das „rote Wien“ im Unterschied zu anderen Städten seine eigenen Wohnungsbestände nicht verkauft habe und heute noch über eine Million Quadratmeter Wohnraumeigentum verfüge. Erst kürzlich habe man aber auf die neue Entwicklung reagiert und in die Bauordnung in Wohn- und gemischt genutzten Gebieten als neue Kategorie „Gebiete für geförderten Wohnbau“ eingeführt. Unter dieser Widmung muss der Anteil geförderter Wohnnutzfläche im Regelfall zwei Drittel betragen. Strenge Regelungen im Hinblick auf maximale Grundkosten und ein im Grundbuch eingetragenes Veräußerungsverbot sollen einer ungehemmten Gentrifizierung einen Riegel vorschieben.

Dennoch sind es auch in Wien vor allem Umweltaspekte und der Klimawandel, die der Entwicklung die Richtung vorgeben. Die Ziele auf diesen Feldern sind ambitioniert. Der Anteil von derzeit 29% des Kfz-Verkehrs am gesamten Mobilitätsaufkommen soll bis 2025 auf 20% weiter sinken. Bis 2050 sollen alle Autos innerhalb der Stadtgrenzen mit alternativen Antriebstechnologien unterwegs sein, die Treibhausgasemissionen sollen bis 2050 um 85% gegenüber 1990 sinken.

 

©Clemens Horak

Schlesingerplatz (Wien 8)
Grafik: VCÖ; Quelle: Trimmel, Using Microscale Climatological Simulation in Landscape Planning, BOKU, 2008; 

Straßenzüge werden zu „Kühlmeilen“

Urbane Begrünungsstrategien mit dem Ziel der Temperatursenkung und Wasserretention sehen die Umwandlung von Straßenzügen in „Kühlmeilen“ vor, wo durch Anpflanzung von neuen Bäumen, die Einrichtung von Trinkbrunnen und andere Maßnahmen die Verbindung von Klimaanpassung, veränderter Mobilität und Verbesserung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum erprobt wird. „Biotop City Wien“, ein aktuell entwickeltes neues Viertel ohne Autoverkehr, das den Maßgaben einer entschiedenen Begrünungspolitik folgt, ist ein aktuelles Beispiel dafür, wie weit man in Wien auf diesem Feld schon gekommen ist.

Was tut sich in Sachen Nachhaltigkeit in NRW?

Zeichnet sich die Wiener Strategie durch die Verzahnung der Zielbereiche aus, so zeigte die Präsentation dreier Erneuerungsprojekte aus Nordrhein-Westfalen, dass regionale Besonderheiten denn doch eine Schwerpunktsetzung nahelegen. Anders als in Wien liegt im Ruhrgebiet der Anteil des Kfz-Verkehrs am Mobilitätsaufkommen bei 58%.

Quelle: P3 Agentur / Total Real / Peter Obenaus
Quelle: P3 Agentur / Total Real / Peter Obenaus
©Quelle: P3 Agentur / Total Real / Peter Obenaus

Umso wichtiger ist hier der Ausbau eines Radschnellwegenetzes, durch das sich, wie Maria T. Wagener, Referatsleiterin Regionalentwicklung des RVR, ausführte, eine CO2-Reduktion von prognostizierten 16.000 Tonnen erreichen ließe.

BOB-Campus ©raumwerk architekten

Und während die Bestandserneuerung einer ehemaligen Textilfabrik in Wuppertal BOB-Campus, (raumwerk.architekten, Köln) auf die Erneuerung und soziale Verbesserung bislang benachteiligter Viertel zielt, demonstriert der Neubau eines Bürogebäudes für die RAG AG und RAG-Stiftung auf der Zeche Zollverein (kadawittelfeldarchitektur, Aachen), wie u.a. durch eine begrünte Dachlandschaft höchste Standards umweltschonenden Bauens nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip sich mit neuen vielfältigen Nutzungsformen kombinieren lassen.

 

©Nikolai Benner
©Nikolai Benner
RAG AG und RAG-Stiftung ©Nikolai Benner

Der Umbau der Städte unter dem Signum des Klimawandels – daran ließ das BDA-Gespräch keine Zweifel – bedarf nicht zuletzt der Diskussion um Qualität und soziale Ausgewogenheit.

Frank Maier-Solgk

 

Nachbericht zur Veranstaltung am 25.09.2019 in Düsseldorf im Rahmen der Landesreihe „Stadt in Bewegung – mobil ökologisch lebenswert“ des BDA NRW

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